Wildnisbildung im Nationalpark

Wildnis als Lernraum für nachhaltige Entwicklung

Die Wildnisbildung und ihr Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung ist ein wichtiges Thema der Jugend-Bildungsstätte. In Kooperation mit dem Nationalpark Kellerwald-Edersee und der NAJU Hessen wurde von 2009 bis 2018 das Bildungsprojekt "Waldscout – Wildnisexpedition" durchgeführt. Im Mittelpunkt stand das Nachdenken über den eigenen Lebensstil und den Schutz der biologischen Vielfalt.

Beim Waldscout-Projekt gingen Schulklassen und Jugendgruppen auf eine 24-stündige Expedition in die Wildnis des Nationalparks. Sie packten ihren ökologischen Zivilisations-Rucksack, lebten in einem einfachen Waldbiwak und gestalteten als Gäste der Wildnis ein nachhaltig ausgerichtetes Campleben. Bei eigenen Erkundungs-Projekten lernten sie die biologische Vielfalt der Wildnis kennen.

Das Waldscout-Projekt wurde von 2009 bis 2013 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), der Stiftung Hessischer Naturschutz (SHN) und der Sparkassenstiftung Waldeck-Frankenberg gefördert. Es wurde in Kooperation mit dem Nationalpark Kellerwald-Edersee bis 2018 fortgeführt. Den theoretischen Hintergrund des Projektes bildet das Konzept der Wildnisbildung.

Die Leitung des Waldscout-Projektes lag in den Händen der Wildnisführerin Anja Erxleben. In zehn Jahren begleitete sie über 1.500 Jugendliche in den verwildernden Wald des Nationalparks. Die Begleitforschung zeigte, dass die Teilnehmenden zum Nachdenken über das Verhältnis von Mensch und Natur angeregt wurden und dass die einfachen Biwakstellen die Natur kaum beeinträchtigten.

Das Konzept der Wildnisbildung

Das Konzept der Wildnisbildung ist durch die handlungsorientierte Verknüpfung von Naturerleben und ökologischer Bildung anhand konkreter Wildnis-Phänomene mit dem Fokus der Reflexion des Verhältnisses von Mensch und Natur charakterisiert. Hierbei spielen die Nachhaltigkeits-Perspektiven Partizipation, Vernetzung, Mehrdimensionalität, globaler Blick und Generationenfolge eine wichtige Rolle. Die Wildnisbildung versteht sich als Teil der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie ist durch sieben wichtige Ziele charakterisiert:

 

  • Harmonisch-chaotische Natur erleben: Das intensive Erleben von verwildernder, eigen-sinniger Natur zwischen Harmonie und Chaos, um ein realistisches Naturverständnis sowie Naturvertrautheit entwickeln zu können.
  • Sorgsame Bewilderung erspüren: Das leibliche Erspüren der eigenen empfindlichen und lebendigen Natur des Menschen durch sorgsame Bewilderung im elementaren Naturerleben.
  • Ökologische Wechselwirkungen erkunden: Das konkrete Erfahren der ökologischen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Mitwelt als Grundlage kompetenter Urteilsbildung im Alltag.
  • Lebensstil und Lebenssinn reflektieren: Das eingehende Nachdenken über Sinnfragen mit dem Blick auf den eigenen Lebensstil und die Begrenzung eigener materieller Ansprüche.
  • Wilde biologische Vielfalt entdecken: Das Entdecken und Erkunden der wilden biologischen Vielfalt mit ihrer Bedeutung für den Menschen.
  • Mit Wildnis auseinandersetzen: Die individuelle Erfahrung und Auseinandersetzung mit dem kulturellen Konzept „Wildnis“ als Ergänzung zur Zivilisation.
  • Freiheit der Wildnis erfahren: Das inspirierende Erleben der Wildnis als Ort der persönlichen Freiheit in einer demokratischen Gesellschaft.

 

Zentrale Aufgabe der Wildnisbildung ist es, durch intensive Naturerfahrungen vielfältige Anlässe zum Nachdenken über das individuelle und gesellschaftliche Verhältnis von Mensch und Natur anzubieten. Das Wildnisverständnis "Natur Natur sein lassen" mit seiner Aufforderung, die wilde Natur als Gast zu erleben und nicht verändernd in sie einzugreifen, ist hierbei ein wesentlicher Lernfaktor.

Zum Weiterlesen

Zum Waldscout-Projekt und zur Wildnisbildung gibt es einige Fachveröffentlichungen in Büchern und Zeitschriften. Hier eine kleine Literaturauswahl.

  • Langenhorst, B. & Erxleben, A. (2023): Wildnisbildung in Hessen – Theorie, Praxis und Evaluation, in: Jahrbuch Naturschutz in Hessen, S. 40-45
  • Langenhorst, B. (2023): Von der Verwilderung zur Wildnisbildung – warum wir das Wilde brauchen, in: Wildnisforum Nationalpark Harz, S. 14-17
  • Langenhorst, B. (2021): Wildnisbildung im Anthropozän – Verantwortung für das Wilde, in: Lindau, A.-K. et al.: Wilde Nachbarschaft, Wildnisbildung im Kontext einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, S. 93-116, oekom-Verlag, München
  • Langenhorst, B. (2016): Wildnisbildung und nachhaltige Entwicklung. Theorie, Praxis und Evaluation am Beispiel des Projektes „Waldscout – Wildnisexpedition, Verlag Dr. Kovac, Hamburg
  • Erxleben, A. (2016): Wildnisexpeditionen im Nationalpark – Eine Gradwanderung zwischen wilden Schülern und kultivierter Bildung, in: Tagungsband Hohe Tauern – Wie wild darf Pädagogik sein?, Nationalpark-Akademie Hohe Tauern, Matrei
  • Erxleben, A. (2015): Heilige Hallen und schwere Jungs. "Waldscout – Wildnisexpedition" im Nationalpark Kellerwald-Edersee, in: erleben & lernen, Heft 1., S. 37-38
  • Garthe, C. J. (2015): Erholung und Bildung in Nationalparken. Gesellschaftliche Einstellungen, ökologische Auswirkungen und Ansätze für ein integratives Besuchermanagement, Verlag Dr. Kovac, Hamburg
  • Langenhorst, B., Lude, A. & Bittner, A. (Hrsg.) (2014): Wildnisbildung. Neue Perspektiven für Großschutzgebiete, DBU-Umweltkommunikation Bd.4, oekom-Verlag, München

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